Toxisches Schocksyndrom
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Toxisches Schocksyndrom

Toxisches Schocksyndrom

Erhöhen Tampons und Menstruationstassen das Risiko für eine Erkrankung? 

Prof. Dr. Werner Mendling zählt zu den internationalen Top-Experten im Bereich „Infektionen in der Frauenheilkunde“. Er beschäftigte sich als einer der ersten Gynäkologen in Deutschland intensiv mit dem Thema und veröffentlichte bereits 1992 Dokumentationen von beobachteten TSS-Fällen – bis heute die einzigen gynäkologischen Publikationen in Deutschland.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Toxisches Schocksyndrom“ bzw. dessen Abkürzung TSS?

Es handelt sich um ein Versagen mehrerer Organe durch Giftstoffe (Toxine), sogenannte Superantigene, die von Staphylokokken- sowie Streptokokken-Bakterien gebildet werden können. An sich ist es völlig normal, dass diese Bakterien den Körper ab und an besiedeln. Doch vereinzelte Bakterien-Stämme können solche Superantigene bilden. Normalerweise kann der menschliche Körper eigenständig Antikörper, also Abwehrstoffe dagegen herstellen. Doch etwa 20 % der Menschen sind nicht der Lage, solche Antikörper zu produzieren. Warum das so ist, weiß man nicht. Diese Menschen sind in Gefahr, ein toxisches Schocksyndrom (TSS) zu erleiden. Es sind aber nicht nur Frauen, die ein TSS bekommen können. Genauso können Männer und Kinder erkranken.

Haben Frauen ein höheres Risiko für ein TSS, wenn sie Tampons oder Menstruationstassen verwenden?

Wenn Frauen ein TSS bekommen, dann meistens während der Menstruation. Man hat noch nicht verstanden, warum das so ist. Allerdings werden Zusammenhänge zwischen dem Hormonhaushalt und dem Immunsystem während der Periode vermutet. Das hat also mit Tampon-Gebrauch zunächst gar nichts zu tun. Das TSS ist bei Frauen generell sehr selten. Allerdings sind gerade Teenager, die nach dem 12. Lebensjahr keine Antikörper gegen das TSS-Toxin haben, in einer höheren Risikogruppe. Sie sollten deshalb Tampons nicht länger als 8 Stunden tragen. Ein zu häufiges Wechseln der Tampons ist aber auch nicht gut und kann das Risiko eventuell erhöhen. Denn die Giftstoffe können von diesen Bakterien nur gebildet werden, wenn Sauerstoff in die Scheide kommt. Diese hat normalerweise ein sauerstoffarmes, anaerobes Milieu. Wenn ein Tampon oft gewechselt wird, tritt dabei etwas Sauerstoff mit dem Einführungsvorgang in die Scheide und kann so die Toxin-Bildung begünstigen.

Sollten Mädchen und Frauen zur Sicherheit lieber auf den Gebrauch von Tampons und Menstruationstassen verzichten?  

Nein. Die oft verbreitete Behauptung, Tampons könnten Infektionen der Scheide fördern, ist von unabhängigen Wissenschaftlern schon seit Jahren und kürzlich auch mit modernster Technik widerlegt worden. Menstruationstassen sind zwar momentan en vogue, es gibt also keine ausreichenden Erfahrungen. Doch wurden auch damit bereits mehrere TSS beobachtet.

TSS- Ist es eine Panikmache der Medien oder ernstzunehmendes Thema?

Ja, das Thema wird zu reißerisch dargestellt. Schon die Überschriften einzelner Berichte erwecken durch falsche oder halbwahre Darstellungen Ängste. Ich hörte, dass dieses amerikanische Model, dass durch alle Medien geht, zwar während der Regel einen Tampon trug, als sie an TSS erkrankte. Allerdings wurden in ihrer Scheide keine Staphylokokken gefunden, sondern in einem Eiterherd im Kiefer. Sie verlor das Bein also nicht wegen eines infizierten Tampons!

Wie hoch ist das Risiko, an TSS zu erkranken?

In Deutschland gibt es keine Statistiken, jedoch hat eine interne Recherche des Berufsverbandes der Frauenärzte in 2018 ergeben, dass im Jahr 2016 in Krankenhäusern 67 Frauen und 14 Männer mit TSS dokumentiert worden sind. Ob diese Frauen die Regel hatten, ist nicht bekannt. Es dürfte eine hohe Dunkelziffer existieren und darüber hinaus auch manches nicht dramatische TSS gar nicht als solches erkannt werden.

Wie verläuft die Infektion (im schlimmsten Fall)?

Die Erkrankung beginnt plötzlich mit hohem Fieber, einem Masern-artigen Hautausschlag, wobei auch alle Schleimhäute stark gerötet sind (Augen, Mundhöhle, bei der Frau die Scheide), schweren Muskelschmerzen und Verwirrtheit. In den nächsten Tagen versagen in schlimmen Fällen alle Organsysteme. Nach etwa einer Woche beginnt langsam die Erholung. In der 2. Woche löst sich die Haut (ähnlich wie bei einem Sonnenbrand) von den Hand- und Fußsohlen. Es können später auch die Haare und Nägel ausfallen.

Was sind die Symptome? Gibt es eindeutige Anzeichen dafür, dass dringend ein Arzt aufgesucht werden muss?

Sobald plötzlich hohes Fieber über 38,9° C. auftritt, starker Blutdruckabfall, Durchfall und Muskelschmerzen auftreten, muss sofort ein Arzt bzw. Krankenhaus aufgesucht werden.

Wie kann man sich vor TSS schützen?

Man kann und braucht man sich nicht zu schützen, weil die Bakterien zu unserer normalen Umgebung gehören. Grundsätzlich sollte man aber auf eine gute Menstruationshygiene achten: Tampons sollten nur mit sauberen Händen eingeführt und nicht zu oft – also nicht ein- oder 2-stündlich – gewechselt werden. Außerdem sollte immer die kleinst-nötige Größe verwenden und den Tampon nicht länger als 8 Stunden in der Scheide lassen. Die Benutzung von Menstruationstassen würde ich persönlich wegen der unklaren Infektionsfragen zurzeit nicht empfehlen. Denn es bleibt viele Stunden lang ein Blutsee liegen, der ein idealer Nährboden für Bakterien sein kann. Die Tassen sollten nach jedem Gebrauch ausgekocht und ähnlich häufig wie Tampons gewechselt werden. Die Behauptung der Hersteller, sie könnten bis 12 Stunden getragen werden, müssten dann nur ausgespült und am Ende der Regel ausgekocht werden und könnten bis zu 10 Jahre benutzt werden, ist mutig. Ich nehme eher an, dass es mit ihnen höhere Infektionsrisiken und auch höhere Risiken für ein TSS gibt, als mit Tampons!

Bildquelle: ©Pavel Chernobrivets/ fotolia.de