Glückliche Beziehung: So könnt ihr lernen über Sex zu reden
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Glückliche Beziehung: So könnt ihr lernen über Sex zu reden

Glückliche Beziehung: So könnt ihr lernen über Sex zu reden

Glückliche Beziehung: So könnt ihr lernen über Sex zu reden

Sexualtherapeut Carsten Müller erklärt, wie das geht!

Sexual- und Paartherapeut Carsten Müller fällt es leicht, über Vorlieben, Sex oder Verhütung zu sprechen, ohne dabei in Scham zu versinken. Und so soll es auch bei dir sein, denn viele Probleme und Herausforderungen im Beziehungs- und Sexleben können mit einer offenen Kommunikation überwunden werden. In diesem Gastbeitrag erklärt er, wieso Partner und Partnerinnen mehr miteinander sprechen sollten und gibt dir eine Übung an die Hand, mit der das besser klappt.  

Sex ist wie Brokkoli, nur anders

Wenn wir das Wort „Brokkoli“ hören, dann passiert ... nichts. Kaum jemand wird wegen „Brokkoli“ ins Schwitzen kommen. Bei „Sex“ sieht die Sache schon anders aus. Der Puls steigt, die Hände werden feucht, der Blick wandert betreten zu Boden. Wieso eigentlich? Wir schreiben das Jahr 2021 und wir leben doch in einer aufgeklärten Gesellschaft, oder? Daher sollte es kein Problem sein, über alle Themen offen zu sprechen. Wünsche, Bedürfnisse, Verhütung, Fantasien alles kein Problem.

Frühzeitige Kommunikation ist das A und O für eine glückliche Beziehung

Die Realität sieht an vielen Stellen anders aus. In Sachen Sex herrscht immer noch eine enorme Sprachlosigkeit. Große Werbeplakate mit Dildos, Adventskalender mit 24 Sexspielzeugen, Pornografie, Optimierung von Körper und all das erzeugt Druck. Dieser Druck erzeugt wiederum Unsicherheit. Die Unsicherheit ist dann dafür verantwortlich, dass in Partnerschaften und Beziehung wenig über Sexualität gesprochen wird. Warum sollte ich über irgendetwas sprechen, womit ich mich selbst unsicher fühle. Das gilt für die Verhütung genauso wie für andere sexuelle Themen. In der Regel wird erst dann gesprochen, wenn es schwierig ist, wenn etwas geklärt werden muss oder etwas im Raum steht.

Jede Beziehung ist anders

Wenn zwei Menschen neu zusammenkommen, dann bringt jeder von ihnen sein ganz eigenes Bild von Beziehung mit. Ob und wie weit dies auseinanderliegt, schert am Anfang niemanden. Stattdessen hängt der Himmel voller Gänseblümchen. Die Beziehung ist mit einer dicken Schicht Zuckerguss überzogen, und es gibt nur eine Geschmacksrichtung: lecker. Eine Macke ist keine Macke, sondern liebenswert. Egal, wie der Sex ist – er ist bombastisch. Im Rausch der Gefühle ist die Schnittmenge erst mal riesig und die Beziehung total glücklich.

Auf Schmetterlinge im Bauch folgt die harte Realität

Aber irgendwann ist der Zuckerguss runtergegessen, der Alltag bricht über die Beziehung hinein und auf einmal stehen wir da und haben nicht gelernt über Sexualität zu reden. Dabei ist Sex doch etwas Tolles, das uns nicht unter Druck setzen oder verunsichern sollte. Und je unverkrampfter wir uns dem Thema nähern, umso besser. Dass das nicht von jetzt auf gleich funktioniert, ist mir klar. Es passiert schrittweise. Und ein wichtiger Schritt ist es, die richtigen Worte zu finden. Die meisten Menschen haben ihre Sprachlosigkeit geerbt. Wenn schon Eltern nicht wissen, wie sie über Sexualität reden sollen, dann lernen auch ihre Kinder das höchstwahrscheinlich nicht. Die sprachlosen Kinder werden zu sprachlosen Erwachsenen. Du siehst, wo die Reise hinführt: in einen Teufelskreis.

„Sprache ist das wichtigste Kommunikationsmittel“

Wie durchbrechen wir diesen Teufelskreis und finden in eine offene, glückliche Beziehung? Es klingt so einfach, aber es ist so entscheidend. In dem wir darüber reden, in dem wir althergebrachte Bilder neu zeichnen und da ist Sprache eines der wichtigsten Kommunikationsmittel. Ein wichtiger Tipp, auch wenn es unsexy und unromantisch klingt: Sprecht über Sexualität nicht während, direkt davor oder direkt nachdem ihr Sex hattet. Verabredet euch, tauscht euch über unterschiedliche Sichtweisen aus.

Unsere Sexualität ist vorgeprägt

Sexualität leben hat oft auch etwas mit der eigenen Erziehung und Sozialisierung zu tun. Wir übernehmen an den verschiedensten Stellen unterschiedlichste Glaubenssätze, die uns vermittelt wurden. Das passiert manchmal bewusst und sehr oft auch unbewusst. Diese Glaubenssätze finden wir auch im Bereich Verhütung. Der Klassiker: „Die Frauen sind für die Verhütung zuständig“. Was für ein Quatsch! Ich finde, Verhütung ist auch ein Teil von gelebter sexueller Selbstbestimmung und mir geht es darum, dass Menschen und Paare, bewusste Entscheidungen treffen.

Sex haben mindestens zwei Menschen, also liegt die Verantwortung auch auf mindestens vier Schultern und für diese Auseinandersetzung braucht es auf der einen Seite Wissen und auf der anderen Seite Interesse, Raum, Zeit und Sprachfähigkeit, um gemeinsame Entscheidungen zu treffen und das heißt auch: Das Ganze muss zu Ende diskutiert werden und Entscheidungen dürfen sich verändern. Wenn ihr es schafft eine gemeinsame kommunikative Ebene zu erlagen, ist das das beste Fundament für eine langjährige gelungene sexuelle und glückliche Beziehung. Es lohnt sich also von Anfang an zu reden. Klingt einfach, ist es auch – macht den Mund auf!

Übung: So kannst du mit dem Partner oder der Partnerin über Sex reden lernen

Gespräch mit dem Partner

Darauf zielt die Kommunikationsübung ab:

Mit ihr sollst du es leichter haben, mit deinem Partner oder deiner Partnerin in das Gespräch über die (verschiedenen) Vorstellungen von Partnerschaft, Sexualität und Verhütung zu kommen. Sie kann jederzeit, wenn ihr euch danach fühlt, angewandt werden.

So funktioniert die Methode – in 6 Schritten

  1. Jeder von euch sucht insgesamt drei Bilder aus dem Internet, Zeitschriften, Katalogen oder Ähnlichem heraus. Das eine Bild soll die Vorstellung von der glücklichen Beziehung widerspiegeln, das andere die Vorstellung von der perfekten gelebten Sexualität und das andere soll das perfekte Verhütungsmittel für die eigene Partnerschaft darstellen. Jeder Partner oder Partnerin wählt die Bilder nach eigenen Gesichtspunkten aus – ohne Rücksichtnahme auf das, was der andere dazu denken könnte. Und vor allem auch ohne Rücksichtnahme auf gesellschaftliche Konventionen.
     
  2. Im nächsten Schritt solltet ihr euch Zeit nehmen, über die Bilder zu reden. Einigt euch darauf, mit welchem Thema ihr anfangen möchtet (Partnerschaft, Sexualität oder Verhütung). Ihr müsst auch nicht alle Themen an einem Tag besprechen, macht das ganz nach eurem Gefühl.
     
  3. Haltet die Bilder am Anfang verdeckt. Partner A erzählt, was seiner Vorstellung nach auf dem Bild von Partner B zu sehen ist: Ist das Bild konkret oder abstrakt? Sind Menschen dargestellt? Gibt es konkrete Bezüge zur eigenen Partnerschaft/Sexualität?
     
  4. Im Anschluss sagt Partner B, was Partner A seiner Meinung nach für ein Bild gewählt hat. Nun enthüllt ihr beide eure Bilder. Partner A beschreibt, was er im Bild von Partner B sieht und wie es auf ihn wirkt – und umgekehrt. Dann erläutern beide Partner sich gegenseitig, warum sie das Bild gewählt haben.
     
  5. Zum Schluss tauscht ihr euch darüber aus, wo ihr Gemeinsamkeiten erkennt und wo ihr offensichtlich unterschiedliche Vorstellungen von Beziehung, Sexualität beziehungsweise Verhütung habt.
     
  6. Jetzt stellt ihr euch die Frage: Möchtet ihr dort, wo unterschiedliche Vorstellungen bestehen, näher zusammenrücken? Falls ja: Wie kann euch das gelingen? Oder ist es für euch okay, wie es ist? Was sind die Kompromisse?

Fazit

Wenn du bisher noch nicht mit deinem Partner oder deiner Partnerin über die Themen Sex, Verhütung und Vorlieben geredet hast, dann wird es höchste Zeit! Für eine anhaltend glückliche Beziehung ist es wichtig, diese Themen anzusprechen.

Wir danken Carsten Müller für den informativen Gastbeitrag und die einfache, aber effektive Übung!